Datenbanken

Die Datei-Systeme der Polizeien

Neben den zur medialen Arbeit und Veröffentlichung geführten Statistiken (insbesondere KPMD-PMK) gibt es hunderte von internen Polizeidatenbanken. Jede Landespolizei sowie das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und der Zoll betreiben ihr eigenes Datei-System. Gleichzeitig gibt es ein Verbund-Datei-System namens INPOL, in das alle 16 Länder-Polizeien sowie BKA, Bundespolizei und der Zoll Daten einspeisen und die dort gespeicherten Daten abrufen können. Das Datei-System der Polizei Berlin heißt POLIKS (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung). Im Unterschied dem IT-System CASA (s. Polizeilicher Staatsschutz) haben die hier besprochenen Polizeidatenbanken eine präventive Zielrichtung. CASA kommt inbesondere bei der Aufklärung von Straftaten zum Einsatz.

POLIKS dient in Berlin zur Vorgangsbearbeitung. Hier wird jeder polizeiliche „Vorgang“ – gemeint ist jede polizeilichen Maßnahme – gespeichert. Es werden zum Beispiel auch Daten von Geschädigten oder Zeug:innen von Straftaten oder von Betroffenen von Maßnahmen gespeichert, die nicht in Zusammenhang mit irgendeinem Strafverfahren stehen. POLIKS fungiert darüber hinaus als Schnittstelle zu (anderen) IT-Verfahren des Landes Berlins (bspw. IT-System des Einwohnerwesen oder das Automatisiertes Staatsanwaltschaftliches Auskunftssystem) als auch zu anderen Datenbanken des Bundes. Hier wäre insbesondere INPOL selbst zu nennen, als auch kleinere Datenbanken des Bundes, wie bspw. die DAD (DNA-Analyse-Datei des BKA in der DNA-Identifizierungsmuster von Personen und DNA-Spuren von Objekten gespeichert sind). Drittens dient POLIKS auch als Informationssystem und hat somit eine zentrale Auskunfts-, Recherche- und Statistikfunktion. In der Praxis werden mit letzter Funktion viele (Unter-)Datenbanken in POLIKS angelegt (und mit INPOL verknüpft).

Telefonservice

Poliks-Hotline: (030) 4664-773277
CASA/PIAV-Hotline: (030) 4664-909808

Für Mitglieder des Abgeordnetenhauses welche Opfer einer Straftat werden, wurde verganenes Jahr eine eigene Hotline (24/7) beim LKA eingerichtet: (030) 4664-909604 

“Telefonanrufe sind ein bevorzugtes Mittel der Angreifenden, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Der Anrufende gibt sich beispielsweise als Kollege oder Dienstleiter aus (…)” – aus dem Sensibilisierungsflyer “CYBÄR” zu Social Engeneering für Beschäftigte der Berliner Polizei

Spezifische Dateien in den Datei-Systemen

In POLIKS können bestimmte Daten (über eine Person) in einer Datei hinterlegt werden. Daneben hat die Polizei Berlin auf eine Unmenge anderer Datenbanken Zugriff. Es existieren Datenbanken für Chemikalien, für Schuh- und Reifenspuren oder gestohlene Kunstgegenstände. Dazu kommen biometrische Datenbanken für Fingerabdrücke wie EURODAC aber auch Datenbanken wie das Melderegister oder die Abfrage von KfZ-Kennzeichen. Auch Deliktsbezogene Datenbanken, wie etwa zu Graffiti oder Trickbetrug durch falsche Polizeibeamte existieren.

Eine der größten Dateien wird wohl die “kriminalpolizeiliche Sammlung” (in Berlin vermutlich “POLIKS Kriminalpolizeiliche Personenakte” genannt) sein. Wenn jemand Beschuldigte:r eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist, erfolgt eine Speicherung der Daten der Person in dieser Datei. Je nach dem Kriminalitätsbereich/Deliktsfeld, zu dem die Tat zählt, wegen der ermittelt wird, gibt es aber noch weitere Möglichkeiten, wo derselbe Vorfall gespeichert werden kann. So gibt es eigene Dateien für einzelne Themen-Felder bei den Landesdatenbanken, aber vor allem im bundesweit abrufbaren INPOL-Datei-System. Zu den oben genannten Dateien der Polizei Berlin, kommen noch weitere bundesweite INPOL-Dateien wie bspw. „Organisierte Kriminalität“,  „Wirtschaftkriminalität“, „Gewalttäter Sport“ oder „Innere Sicherheit“. Die INPOL-Dateien werden dabei durch Landespolizeien gefüttert und sind so bundesweit verfügbar. 

Es ist zu beachten, dass in solchen themenspezifischen Dateien teilweise auch Daten von Personen gespeichert werden, die gar keiner Straftat verdächtigt wurden. Es reicht für die Eintragung in einer solchen Datei aus Sicht der Polizei in manchem Fall schon aus, dass jemand in Präventiv-Gewahrsam genommen wurde oder auf dem Weg zu einer Demonstration bei ihr:m ein gefährlicher Gegenstand sichergestellt wurde.

Datei “Gewalttäter links”

Bei INPOL findet sich auch eine Datei zu “Gewalttäter links”. Aufgrund derer kommt es manchmal bei Kontrollen oder Begegnungen mit der Polizei zu Problemen. In der Datei werden nicht nur Gewalttäter*innen registriert. Auch Verdächtigungen und Identitätsfeststellungen können reichen, also die bloße Anschuldigung. So wurden bspw. zu dem Konstrukt „Rigaer94 / militante Linksextremisten“ gespeicherte Personen zu dem Delikt „gefährliche Körperverletzung – Fiktives Delikt, da Ausschreibung sonst technisch nicht möglich“ geführt.  Zudem werden nicht Gewalttaten im engeren Sinne gespeichert, sondern alles mögliche. Auch typische Versammlungsdelikte (Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*innen oder Verstöße gegen das Vermummungsverbot). Wichtig ist, dass nicht alle, die mal irgendwo waren und ihre Personalien abgeben mussten, in der Datei “Gewaltäter links” geführt werden. Nur einer kleinerer Teil wird tatsächlich als potenziell gewaltbereite Störer*innen eingestuft. Dennoch wird sehr viel präventiv gesammelt und nach einer Intervention des Bundesdatenschutzbeauftragten wurden zwischen 2011 und 2015 fast die Hälfte aller Datensätze zu „Gewalttätern links“ gelöscht.

Aufgrund der Parallelstruktur von Datenbanken bei den einzelnen Polizeien, dem Verbundssystem INPOL und den verschiedenen Dateien innerhalb dieser verschiedenen Datenbanken kann es dazu kommen, dass bspw. ein einzelnes Strafverfahren zu mehreren Einträgen führt. So kann zum Beispiel ein einzelnes Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, weil jemand sich gegen seine Verbringung aus einer Sitzblockade gewehrt hat, in fünf verschiedenen Dateien landen: im landeseigenen System in der Vorgangsverwaltung und in der “Kriminalpolizeilichen Sammlung” sowie im INPOL in den Dateien “Kriminalaktennachweis”, Gewalttäter links” und “Innere Sicherheit”.

Personengebundende Hinweise

Grundsätzlich von den oben genannten Datenbanken, sind die “personengebundenden Hinweise” (PHW und EHW) zu unterscheiden. Diese Einträge dienen offiziell dem Schutz der einschreitenden Polizeikräfte im Arbeitsalltag und sollen zum Beispiel vor vermeintlich gewalttätigen Personen warnen. Sie erscheinen im Zuge jeder personenbezogenen Datenabfrage bei INPOL oder in den entsprechenden Datenbanken der Länderpolizeien als „Warnhinweis“ für die Einsatzkräfte. Bei der Eingabe eines Namens (den die Cops etwa bei einer Identitätsfeststellung bekommen haben) in den Polizeicomputer leuchtet der ensprechende PHW/EHW als Label auf. Dieses Label wurde vorher durch die Cops mit der Person verknüpft. Jede*r Polizist*in darf diese gespeicherten Daten einsehen.

In Berlin gibt es 49 unterschiedliche PHW und EHW, sie reichen von „Ansteckungsgefahr“ über „Politisch motivierter Straftäter  (PMK-Links)“ bis zum „Sofortanruf LKA KoSt ST 5 Dauerdienst“.  Mit mehr als 30.000 Einträgen in den letzten zehn Jahren führt der PHW „Btm-Konsument“ (also Drogenkonsument:innen) die Liste an. Zwischen 2010 und 2020 gab 3.445 neue PHW/EHW Einträge bei PMK-Links. Den Sofortanruf LKA KoSt ST 5 Dauerdienst scheint es erst seit 2019 zu geben. Offensichtlich sind Polizeibeamt*innen der Berliner Polizei bei 182 Personen dazu angehalten, den Staatsschutz des LKA 5 bei Antreffen der Person sofort anzurufen. Insgesamt hat die Berliner Polizei fast 100.000 Mal in den vergangenen zehn Jahren ein PHW in eine Datenbank eingetragen. Wie viele Menschen davon betroffen sind, lässt sich sich nicht sagen, weil auch hier Mehrfachnennungen möglich sind.

Während einige PHW/EHW nur im Berliner System gespeichert sind (bspw. zu “Clankriminalität” und “Sofortanruf LKA KoSt ST 5 Dauerdienst”) werden die meisten PHW/EHW in INPOL eingepflegt und sind somit für alle Cops in der BRD einsehbar. Dies gilt auch für den sogenannten LiMo-Eintrag (offiziell “Politisch movierter Straftäter – links”). Im Jahr 2017 wurden bundesweit 1.582 Personen solche Hinweise zugeordnet. 

Verwechslungsgefahr

Aufgrund der Datensammelwut der Bullen und der sehr ähnlich klingenden Namen und gleichen Abkürzungen kommt es des öfteren zu Verwechslungen. Ein Versuch etwas Licht ins Dunkle zu bringen: Es gibt zunächst die durch die Bullen veröffentlichte Statistik (KPDM-PMK), die als Unterkategorie eine Statistik zu den Fällen der “Politisch motivierte Kriminalität links” (PMK-links) führt. Hier werden keine Personen aufgeführt, sondern (vermeintliche) Straftaten. In den Informationssystem der verschiedenen Polizeien gibt es sodann Dateien, die Personendaten enthalten. Dazu zählt beispielsweise die bundesweite Datei “Gewalttäter links”. Davon abzugrenzen sind wiederum die personenbezogenen Hinweise, also die Label, die etwa bei Kontrollen erscheinen. Ein Label für Linke lautet in Berlin: Politisch motivierter Straftäter – links (PMK-Links). Es lässt sich nur vermuten, dass alle Straftaten der Personen mit dem Label “politisch motivierter Straftäter – links” auch in der Kategorie “Politisch motivierte Kriminalität links” (PMK-links) der KPDM-PMK auftauchen. Die Statistiken zeigen auch, dass eine Eintragung in der Datei „Gewalttäter links“, oft, aber nicht immer mit der Speicherung eines personenbezogenen Hinweises “Politisch motivierter Straftäter – links (PMK-Links)“ einher geht. So gab es im Jahr 2011 1.271 Personen, die beide Einträge hatten, aber auch 1.014 Personen, die zwar als „Gewalttäter links“ eingetragen waren, nicht aber als „”Politisch motivierter Straftäter – links (PMK-Links)”.

Speicherung und Löschung

Ihr könnt Auskunfts darüber verlangen, welche Behörden aus welchem Grund Daten über euch gespeichert haben. Das geht bspw. automatisiert über datenschmutz. Eine Speicherung ist nicht nur unangenehm, sondern kann sich sehr nachteilig auswirken. Bspw. bei Flughafenkontrollen, Verkehrskontrollen oder bei für manche Berufe notwendigen Sicherheitsabfragen. Grundsätzlich werden die Einträge mindestens 10 Jahre gespeichert und danach nur “überprüft”, ob ein weiterer Anlass zur Speicherung besteht. Anders als beispielweise im Führungszeugnis findet hier keine automatische Löschung statt. Umfangreiche Informationen zu Polizeidatenbanken und insbesondere die Löschung von Einträgen findet ihr unter polizeidatenbanken.de.

Ausblick PIAV

Die hier nur im kleinen Ausschnitt dargestellen polizeilichen Analyse-, Fallbearbeitungs-, Vorgangsbearbeitungs- und Fahndungssysteme, sind nicht immer trennscharf. Zudem läuft die gemeinsame Nutzung der Datei-Systeme von Bund und Ländern oftmals holprig. Während manche Länder für bestimmte Datenbanken über eine definierte Schnittstelle Daten in das System importieren können, ist man in manchen Ländern und für bestimmte Datenbanken wie „INPOL-Fall Innere Sicherheit“ komplett auf manuelle Eingaben angewiesen. Dem Abhilfe schaffen, soll das Polizeiliche Informations- und Analyseverbund (PIAV). Es soll als Teil von INPOL ein System zur unverzüglichen Bereitstellung von ausgewählten Personen-, Fall- und Sachdaten aus den Vorgangs- oder Fallsystemen der Länderpolizeien und Bundesbehörden fungieren. Dabei geht es insbesondere um das besseren Erkennen von länderübergreifenden Tat-/Täter-Zusammenhängen. Die Umsetzung erfolgt stufenweise für einzelne Deliktsbereiche. Bisher gibt es PIAV bspw. für Cybercrime und Rauschgiftkriminalität. Eine Umsetzung für politische motivierte Kriminalität steht noch aus, ist aber bereits geplant.