Einsatzkonzept: stationäre Großveranstaltung

Stationäre Großveranstaltungen meint in der Regel angemeldete Straßenfeste oder Kundgebungen. Diese finden auf der Straße, auf Straßenkreuzungen und auf öffentlichen Plätzen statt. Bei nicht genehmen (angemeldeten) Veranstaltungen geht die Berliner Polizei oft nach einem gewissen Schema-F vor. Um den Veranstaltungsort herum bilden die Polizist*innen einen Kessel. Das gibt ihnen zum einen die Möglichkeit, Vorkontrollen durchzuführen, zum anderen grenzt es die Veranstaltung ab. Weitere logistische Fahrzeuge (z.B. GefKw, BatKw) sowie die Einsatzzentrale (BefKW) bilden sich um den Kessel herum, in den anliegenden Seitenstraßen.

Ist im Laufe des Einsatzes mit einer Verschlechterung der Lichtverhältnisse zu rechnen, werden LiMas bereit gestellt, um das Gelände auszuleuchten: Damit BeDo-Trupps „gute“ Bilder machen und die Greiftrupps es leichter haben, die Übersicht zu behalten. Lichtmastkraftwagen werden teilweise, wie bei einer Versammlung auf dem Richardplatz am 07.08.2020 auch noch nachträglich dazugeholt.

Grüner Lichtmastkraftwagen im Einsatz vor Baum.
Ein LiMaKw bei der Räumung eines Parks.

Vor der Veranstaltung gibt der*die meist freundlich wirkende Kontaktpolizist*in der anmeldenden Person bzw. der Ansprechperson gern noch vor Ort irrwitzige Auflagen und versucht die Anmelder*innen hin und her zu scheuchen. Wichtig ist, dass vieles davon juristische nicht haltbar ist und ihr euch überlegen müsst wie ihr damit umgeht. Bspw. müsst ihr den “Hinweis” (keine Auflage!), dass ihr den Müll beseitigen müsst, nur insofern befolgen, als ihr auch dafür verantwortlich seit. Zweitens dürft ihr als Anmelder*in  auch an einem Ort bleiben und müsst nicht ständig in Bewegung sein. Eine geplante Eskalation der Lage wird oft mit wiederholten Androhungen der Auflösung deutlich. So werden vermeintliches Nicht-Tragen des Mund-Nasen-Schutzes, zu wenig Redebeiträge und andere Lächerlichkeiten moniert. Als Anmelder*innen einer Kundgebung solltet ihr gelegentlich eine Erinnerung an die Maskenpflicht und Mindestabstände an die Versammlung richten. Auch an andere Dinge könnt ihr appelieren, aber ihr seid nicht verantwortlich für die Handlung jede*r einzelnen Person auf dieser Versammlung. Ihr seid auch nicht verpfichtet ständig politische Redebeiträge zu machen, der politische Charakter der Versammlung kann auch durch Transpis, Performances oder anderes zum Audruck kommen. Oft ist vieles Verhandlungssache vor Ort und dafür braucht es ein selbstsicheres Auftreten und manchmal auch Erfahrungswerte. Eine Möglichkeit könnte daher sein, euch zu zweiz als Kontaktpersonen für die Kontaktbullen zu melden um euch sicherer zu fühlen.

Sobald sich der Platz mit Menschen füllt ist eine weitere Taktik der Polizei die Nicht-Freigabe der Straße. Wurde vor Corona das Gedränge auf dem Bürgerstreik nur als Schikane und Vorwand genutzt Menschen rumzuschubsen, kommt dem seit Corona noch eine weitere Bedeutung zu. So kam es bei der Migrantifa Hanau-Gedenkkundgebung am Rathaus Neukölln zu zwei paradoxen Auflagen: Mindestabstände solten eingehalten werden, gleichzeitig war die Straße aber freizuhalten. Allerdings strömte eine gigantisch steigende Anzahl von Menschen als Besucher*in der Kundgebung auf den Platz.
Wichtig ist hier immer wieder zu betonen, dass es gerade die Aufgabe der Bullen ist, den Verkehr so zu regeln, dass die Versammlung störungsfrei ablaufen kann.

Zu Veranstaltungsbeginn halten sich die Polizist*innen eher noch zurück, treten für ihre Verhältnisse geradezu deeskalierend auf: Massive Bullenformationen sind nur am Rande der Veranstaltung zu erblicken. Meist stehen diese glockenförmig beisammen.

Polizist*innen stehen mit dem Rücken zueinander, um sich gegenseitig abzusichern.

Auf der Großveranstaltung selbst wird nur mit geringem Kräftepotential (z.B. Zivibullen, Kommunikations-Teams) agiert. Gelegentlich laufen kleine Trupps in Uniform durch die Menge. Sobald es aber dunkel wird oder die Veranstaltung sich dem Ende zu neigt, wird die Polizeitaktik in der Regel um einiges aggressiver. Die Polizeikräfte, die sich bis dahin noch im Hintergrund gehalten haben, marschieren nun in festen Formationen von ein bis zwei Greiftrupps durch die Menge. Mit der „Deeskalation“ ist es spätestens jetzt vorbei, denn ihr massives Auftreten (Drängeln, Pöbeln, Schubsen) heizt die Stimmung weiter auf. Augenscheinlich verfolgen sie mit diesem Manöver kein bestimmtes Ziel (z.B. von A nach B zu gelangen). Doch ferner geht es ihnen darum, eine Frontenbildung zwischen Polizei und Gegenüber zu verhindern. Sie bleiben in Bewegung und spalten die Menge dabei immer wieder, die sog. Durchdringungstakttik oder das Durchmischen. Zeitgleich haben sich Greiftrupps flächendeckend in allen möglichen Ecken des Veranstaltungsgeländes verteilt und warten dort auf Anlässe zum Einschreiten. Den Zivilbullen und Tatbeobachter*innen kommt in dieser Phase die Rolle zu, die Uniformierten an „erkannte Straftäter*innen“ heran zu führen. Doch auch ohne die Einweisung durch Zivis schlagen die zahlreichen Greiftrupps immer wieder los und versuchen Einzelne heraus zu greifen. Bei den Manövern sind oft Kameras zur Aufzeichnung von Personen (-gruppen), Laufbewegungen und Laufrichtungen eingeschaltet. Wie immer dürfen die Kameras hier nicht wahllos eingeschaltet werden, weil es nicht die herumstehenden Gruppen sind von denen Gewalt aus geht, sondern die herrummrennenden Polizeitrupps bewusst zur Eskalation beitragen.

Vermeintliche Schupserein am Rand des Veranstaltungsort werden hinreichend gern als Anlass genutzt, um zu zehnt in voller Montur auf einen Menschen einzudreschen mit allem was sie haben. Die dabei entstehende Empörung und Eskalation drum herum stehender Menschen ist gewollt bis geradezu provoziert worden, wie es sich am Beispiel der Squat de la Musique zeigte.