Rechtliche Grundlagen

Polizeirecht – Das ASOG

Das „Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin“, kurz ASOG, regelt die Befugnisse der Berliner Polizei- und Ordnungsbehörden zur Gefahrenabwehr. Jedes Bundesland hat ein solches „Polizeigesetz“. Werden Cops aus anderen Bundesländern oder der Bundespolizei in Berlin eingesetzt (etwa als Einsatzhunderschaften bei Demos), gilt für sie das ASOG (vgl. § 8 Absatz 2 ASOG).

Im Land Berlin ist das ASOG damit eines von zwei bedeutenden Gesetzen, die das Handeln der Polizei regeln (sollen). Das zweite Gesetz ist die Strafprozessordnung (StPO). Im Unterschied zum ASOG gilt sie bundesweit. Das ASOG wird als Rechtsgrundlage verwendet, wenn eine Gefahr abgewehrt werden soll, also meist im Vorfeld von Straftaten – Beispiel: Die Barrikade ist noch nicht errichtet, die Polizei hat aber Erkenntnisse, dass bestimmte Personen diese errichten wollen. Befugnisse nach der StPO werden hingegen immer dann genutzt, wenn eine Straftat (vermeintlich) bereits passiert ist und diese ermittelt werden soll – Beispiel: Die Barrikade brennt bereits und die Polizei sucht nach den „Täter*innen“ in der Umgebung. Die Befugnisse von ASOG und StPO gleichen sich teilweise. Im Beispiel könnten die Bullen bei einer Gruppe in der Nähe des „Tatorts“ entweder im Vorhinein die Identität von Personen nach § 21 Absatz 1 ASOG feststellen oder im Nachhinein die Identität nach § 163b Absatz 1 StPO feststellen.

Das ASOG gilt bei Versammlungen nur sehr eingeschränkt. Maßnahmen gegen Versammlungen erfolgen grundsätzlich aufgrund des Versammlungsfreiheitsgesetzes (VersFG, sog. “Polizeifestigkeit der Versammlung”, mehr dazu weiter unten). Werden auf einer Versammlung Straftaten begangen, kann die Polizei jedoch nach der StPO vorgehen.

Neben der Landespolizei ist auch die Bundespolizei in Berlin präsent. Sofern sie nicht in Amtshilfe für das Land Berlin tätig wird, regelt ihre Befugnisse ein eigenes Gesetz: das Bundespolizeigesetz (BPolG). Dies gilt insbesondere an Bahnhöfen und Flughäfen sowie beim Schutz von Grundstücken der Bundesorgane (etwa Bundesministerien). In vielen Teilen gleichen sich Vorschriften des BPolG und die des ASOG. Insbesondere für den Grenzschutz besitzt die Bundespolizei jedoch weitreichendere Befugnisse.

Im Folgenden werden einige zentrale Befugnisse der Polizei Berlin zur Abwehr von Gefahren im Einzelnen erläutert. Das ASOG hat im Jahr 2021 eine Änderung erfahren. Diese fiel jedoch weniger umfassend und scharf aus als solche der anderen Länder, bspw. in Bayern, NRW oder Sachsen. Es bleibt dennoch eine Verschärfung. Und ohnehin gibt es im ASOG viel Spielraum bei der Gesetzesinterpretation, die Polizeiterror und Schikane Tür und Tor öffnen.

Gefährderansprache; Gefährderanschreiben (§ 18b)

Seit 2021 eine neue Befugnis im ASOG, aber aus der Praxis kennt man sie bereits: Die Gefährder*innenansprache, bzw. wenn sie per Post erfolgt, das Gefährder*innenanschreiben. Mit diesem „Informationsschreiben“ geben die Bullen an, dass du bisher mit einschlägigen Straftaten in Erscheinung getreten bist, sie davon ausgehen, dass du eine bestimmte Veranstaltung (meist Demo oder Blockade) besuchen wirst und sie dir davon “abraten”. Falls du diesem staatlichen Ratschlag nicht nachkommst, schildern sie dir auch noch die Maßnahmen, die sie ergreifen werden, falls du Straftaten auf dieser Veranstaltung begehst. Die Ansprache und Schreiben entfalten keine rechtlichen Konsequenzen für die betroffene Person (es gibt also bspw. kein Verbot, irgendwo hinzugehen), aber sie sollen einschüchtern und ein Gefühl des Überwacht-Werdens vermitteln. Meist flattern solche Schreiben vor großen Protesten in den Briefkasten, aber sie können dir telefonisch oder bspw. erst auf dem Weg zur Demo mündlich mitgeteilt werden. Dafür dürfen sie dich dann auch anhalten und deine Identität feststellen. Vom LKA 52 angeregt erfolgten im Zeitraum 2018 bis 6/2021 nach eigenen Angaben neun Ansprachen, durchgeführt von den operativen Kräften (PMS) des LKA 644/641.

Gefährderansprache (Symbolbild)

Identitätsfeststellung (§ 21)

Eine Identitätsfeststellung ist für die Polizei „zur Abwehr einer Gefahr“ jederzeit möglich. Jede Person ist dann verpflichtet, auf Nachfrage die eigene Identität gegenüber der Polizei nachzuweisen (in der Regel durch ein amtliches Ausweisdokument, bspw. den Personalausweis). Dies ergibt sich für Personen älter als 16 Jahre und mit deutscher Staatsangehörigkeit aus dem Personalausweisgesetz (PAuswG). Falls man in einen solchem Fall einen gültigen (!) Ausweis nicht besitzt oder einen Ausweis nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt, droht eine Ordnungswidrigkeitenanzeige (vgl. § 1 Absatz 1 PAuswG sowie § 32 Absatz 1 Nr. 1 und 2 PAuswG). Es gibt jedoch für Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit keine Pflicht den Ausweis jederzeit mitzuführen. Es reicht, wenn sie wissen, wo er ist.

Was genau eine abzuwehrende „Gefahr“ darstellt, die die Polizei zur Identitätsfeststellung benötigt, entscheiden die Polizeibeamt*innen eigenmächtig. Dadurch ist die Identitätsfeststellung zu einer Routinemaßnahme geworden. Nicht mal eine Gefahr braucht es, wenn ihr euch an einem sogenannten „kriminalitätsbelasteten Ort“ aufhaltet. Dort kann die Polizei jede Person ohne Anlass kontrollieren. Die Polizei veröffentlicht nicht die genauen Grenzen solcher Orte, aber in etwa wo sie liegen.

Egal in welchem Fall, wer sich nicht ausweisen kann, wird auf die Polizeiwache mitgenommen (s. Kapitel Rassismus und Polizei: Das Racial Profiling). Identitäten von Personen können aber auch im Rahmen eines Ermittlungsverfahren nach § 163b Absatz 1 StPO festgestellt werden. Beachtet hier, dass hier, dass bei einer Identitätsverweigerung ein längerer Gewahrsam oder gar Untersuchungshaft möglich ist (bspw. § 113 StPO, vgl. u.a. die Lausitz23).

Erkennungsdienstliche Maßnahmen (§ 23)

Erkennungsdienstliche Maßnahmen (sog. Erkennungsdienstliche Behandlung – „ED-Behandlung“) bestehen nach Absatz 3 aus der Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, der Aufnahme von Lichtbildern sowie der Messungen und die Feststellung anderer äußerer körperlicher Merkmale. Bei Letzterem weransonstenden regelmäßig Narben, Tattoos oder Piercings der Person dokumentiert. Das LKA 5 ist immer bemüht, ihre Kartei von linken Personen zu vervollständigen. Nicht selten fragen also die festnehmenden Hundertschaften nach einer Demo beim LKA an, ob sie noch (akutelle) Bilder der Person „benötigen“. Rechtlich wird dies auf Absatz 1 Nr. 2 – der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten – gestützt. Nach begangenen Straftaten werden aber Personen auch aufgrund von § 81b StPO ED-behandelt, etwa um die festgenommene Personen später besser auf Videomaterial identifizieren zu können.

Fingerabdrücke-Abgeben ist Teil der ED-Behandlung.

Videoüberwachung des öffentlichen Raums (§ 24a und § 24b)

Diese Vorschriften regeln die Videoüberwachung im öffentlichen Raum, etwa in U-Bahnen und Bussen oder Gebäuden von öffentlichen Interesse (etwa Religionsstätten).

Einsatz von Bodycams (§ 24c)

Seit 2021 besteht nun auch die Möglichkeit für die Polizei erprobungsweise Bodycams einzusetzen. Der Einsatz ist (zunächst) bis zum 1. April 2024 befristet. Für weitere Infos siehe Kapitel Ausrüstung.

Observation, verdeckte Überwachung (§ 25)

Vermuten die Cops, dass „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ begangen werden könnten, ist die klassische Observation (die mehrere Wochen anhaltende Beschattung einer Person durch die Polizei) erlaubt, gleichfalls der Einsatz verdeckter Überwachungstechnik, wie z.B. von Foto- und Videokameras oder Wanzen. Zwar muss der Einsatz letzterer Mittel nach maximal 3 Tagen richterlich überprüft werden, kann bis dahin aber unter dem Vorwand „Gefahr im Verzug” angewendet werden. Die klassische Observation ohne den Einsatz technischer Mittel kann die Polizei selbst verantworten und muss nicht richterlich überprüft werden. An den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen sind in Absatz 4 und 4a etwas höhere Anforderungen gestellt, bspw. dass intime Gespräche nicht abgehört werden dürfen.

Die Maßnahme richtet sich typischerweise gegen die zu observierende Person, allerdings könnten gem. § 25 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 auch sog. Kontaktpersonen beiläufig observiert werden. Betroffene Personen sollen gem. § 25 Absatz 7 nach Abschluss der Observation/Überwachung benachrichtigt werden, dies kann aber auch unter Umständen unterbleiben. Insbesondere wird die Benachrichtigung beiläufig beobachteter Personen regelmäßig nicht stattfinden.

Gefährder*in

Seit etwa 2004 führen die Polizeien der Länder und des Bundes (ohne Rechtsgrundlage) einzelne Personen unter der Kategorie „Gefährder“. Laut der Definition der Arbeitsgemeinschaft der Leiter des LKA und des BKA ist ein*e Gefährder*in „eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politische motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO, begehen wird.“ Auf diesen Listen finden sich also Personen aus dem linken, rechten, religiösen und „ausländischen“ Spektrum. Im Bereich des islamistischen Terrorismus arbeitet die Polizei mit einem sog. Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE. Neben den Gefährder*innen werden auch „relevante Personen“ erfasst, also Personen die einen (aus polizeilicher Sicht) relevanten Kontakt zu dem*r Gefährder*in hatten. Die Einstufungen von Personen als „Gefährder*innen“ nehmen dabei die Länderpolizeien vor. Gegen diese Personen werden typischerweise umfassende Maßnahmen aufgrund der Polizeigesetze getroffen, da gegen diese Personen keine gerichtsfesten Beweise vorliegen, die solche Maßnahmen nach der StPO rechtfertigen können. Dort braucht es (und zwar auch bei dem § 129a Verfahren) wenigstens einige stichhaltige Beweise. Für die Gefahrenabwehr der Polizeigesetze reichen hingegen polizeiinterne Berichte von vermeintlich sachkundigen Beamten*innen, über die individuelle Gefährlichkeit einer Person. Typische Gefährder*innen-Maßnahmen sind die der §§ 25 – 27 ASOG. 2017 wurde im Bereich politisch motivierte Kriminalität links bundesweit 4 Gefährder*innen und 124 relevante Personen geführt. Nach eigenen Angaben der cops wurden im Jahr 2021 vier bis sechs Personen als Gefährder*innen geführt. In Berlin sind Personen, die dem Umfeld der Rigaer Straße 94 zugerechnet werden, von einer solchen präventiven Überwachung betroffen, s. Gefährder Leaks)

Überwachungsmaßnahmen werden durch das Mobile Einsatzkommando (MEK) in Berlin durchgeführt. Im Wesentlich wird wohl die Observation nicht durch die rechtlichen Voraussetzungen, sondern durch das verfügbare und dementsprechend ausgebildete Personal begrenzt werden. So wurden für die Observation von Personen aus dem Umfeld der Rigaer Straße 94 Observationsteams von dem Islamisten Anis Amri abgezogen, der später einen LKW auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheitplatz steuerte. Deutlich interessanter als der 4-seitige Paragraph sollte aber die Umsetzung durch die Polizei in der Praxis sein. Mehr zu Letzterem findet ihr hier beim LKA 6.

Üblicher ist eine Observation (§ 163f StPO) und akustische Überwachung (§§ 100c, 100f StPO) nach der StPO. Dort ist sie eine beliebte Maßnahme beim Vorwurf der Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, § 129a Strafgesetzbuch (StGB).

Telekommunkationsüberwachung (§ 25a)

Das Abhören von Telefongesprächen und das Mitlesen von E-Mails, Kurzmitteilungen (SMS) und Telefaxen sowie die Funkzellenabfrage („Telekommunikationsüberwachung“ – TKÜ) ist schon lange auf Grundlage der StPO bei Verfolgung von schweren Straftaten möglich, 100a StPO. Als eines der letzten Bundesländer hat Berlin 2021 die TKÜ nun der Polizei auch zu präventiven Zwecken erlaubt. Voraussetzung dafür ist bspw., dass die Person “den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert“ (§ 25a Absatz 1 Satz 1 Nr. 2) gefährden wird oder in Zukunft eine terroristische Straftat im Sinne des § 25a Absatz 2 begehen wird.

Heute läufts digitaler als in den 60ern. Die Mimik der Bullen dürfte die selbe sein.

Um ein Telefon abzuhören, benötigt man die Telefonnummer. Für den Fall, dass diese nicht bekannt ist, sieht der Absatz 3 ein paar Möglichkeiten für die Cops vor. Die TKÜ umfasst daher gem. § 25a Absatz 3 auch die Auskunft über Bestandsdaten (u.a. Name, Anschrift, Telefonnumer, E-Mail-Adressen) die Telekommunikationsanbieter von ihren Kund*innen erheben (Nr. 1). Weil die Berliner Polizei solche Bestandsdaten schon länger zur Verfolgung von Straftaten nach der StPO abfragen darf, ist über den Ablauf Folgendes bekannt: Die Cops schicken per Fax (mittlerweile per Mail) den Namen und die Adresse der zu überwachenden Person an alle Telekommunkationsanbieter und erfragen welche Telefonnummer dazu existieren und lassen diese dann anschließend überwachen. 

Falls dies keinen Erfolg hat, brauchen die Cops meist die Gerätenummer des Mobiltelefons (IMEI) oder die Kartennummer (IMSI). Für den Fall, dass diese nicht bekannt ist, darf die Polizei sog. IMSI-Catcher einsetzen (Nr. 2) (vgl. dazu Kapitel zu digitalen Überwachung). Ähnliches ist auch in einem Ermittlungsverfahren auf Grundlage des § 100i und § 100h StPO möglich.

Die TKÜ und der Einsatz der IMSI-Catcher (also nicht die Bestandsdatenauskunft) benötigen eine richterliche Anordnung. Ausnahmen gelten wie immer bei Gefahr im Verzug. In diesem Fall muss die richterliche Anordnung sofort und nicht länger als 3 Tage nach Beginn der Maßnahme nachgeholt werden. Wie schon bei der akustischen Überwachung von Wohnungen durch Wanzen (§ 25 ASOG) finden sich in Absätzen 8 bis 14 auch diverse Vorkehrung, die die Intimsphäre von Betroffenen schützen sollen sowie Benachrichtigungs- und Löschpflichten.

Bei der präventiven TKÜ soll es sich um eine Erprobung handeln, sie soll am 1. April 2025 außer Kraft treten und wissenschaftlich evaluiert werden.

Standortermittlung bei Telekommunkationsendgeräten (§ 25b)

War die Standortermittlung bis 2021 nur für vermisste, suizidgefährdete oder einen Notruf auslösender hilflose Personen erlaubt (Absatz 1), wird sie nun breiter unter den Voraussetzungen des § 25a eingeführt. Sie soll zur Terrorismusabwehr dienen, wobei die Definition was genau terroristisch ist, wieder ganz im rechten Auge des polizeilichen Gegenüber liegt. Der § 25b soll das mildere Mittel gegenüber der auf die Inhalte der Kommunikation abzielenden § 25a sein. Für die Standortermittlung von vermissten, suizidgefährdeten oder hilflosen Personen sollen Polizei und Feuerwehr eigene technische Mittel einsetzen (Absatz 2). Für die Fälle der Terrorismusabwehr soll die Polizei dagegen über den Telefonanbieter den Standort erfragen. Für Letzteres gilt wiederum der Richtervorbehalt (Absatz 6). Hier gilt gleiches wie bei der TKÜ, die Regelung tritt am 1. April 2025 außer Kraft und soll wissenschaftlich evaluiert werden.

V-Leute, Verdeckte Ermittler*innen (§ 26)

Der § 26 ASOG regelt den Einsatz von Vertrauenspersonen in Nr. 1 (auch VP; V-Leute) sowie den Einsatz verdeckter Ermittler*innen durch die Polizei zu präventiven Maßnahmen in Nr. 2 (auch hier gibt es entsprechende Normen zur Aufklärung von bereits begangenen Straftaten in der StPO: §§ 110a bis §§ 110c StPO). Vertrauenspersonen sind Bürger*innen, die der Polizei ohne Wissen von anderen Informationen weitergeben. Typischerweise werden diese in der „Szene“ angeworben und ihnen wird für ihre Dienste Straffreiheit-/Milderung und/oder Geld versprochen.

Verdeckte Ermittler*innen sind anders als Vertrauenspersonen Polizist*innen, die jedoch unter einer Legende auftreten. Das heißt sie haben dauerhaft eine andere Identität. Dafür ist der Polizei auch das Fälschen von Dokumenten erlaubt.

Auch diese Maßnahme steht unter Vorbehalt der Anordnung durch eine Richter*in, auf die wiederum bei Gefahr im Verzug verzichtet werden kann.

Weitere Informationen über den Einsatz solcher Ermittler*innen find sich im Kapitel zum LKA 65 und u.a. hier und sowie in dieser Dokumentation. In jüngerer Zeit sind Einsätze von verdeckten Ermittler*innen oder V-Leuten in der linken Szene Berlins nicht bekannt geworden.

Polizeiliche Beobachtung (§ 27)

Eine Person kann zur Polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben werden, wenn für sie eine individuelle Gefahrenanalyse besteht. Eine solche wird durch eine*n Mitarbeit*in der zuständigen Fachdienststelle (LKA 5) erstellt. Dazu reichen meist ein paar Seiten wer, wie, warum, auf welcher Demo rumspringt und die Unterschrift der Polizeipräsidentin. Eine solche Beobachtung muss auf ein Jahr befristet werden, wird aber regelmäßig um jeweils ein weiteres Jahr verlängert werden.

Ist eine Person zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben, wird sie in die polizeilichen System eingetragen. Da es technisch immer einen Grund für das Speichern personenbezogener Daten braucht, kam es in Berlin schon vor, dass dort folgender Grund angegeben wird: „Gefährliche KV; fiktives Delikt, da Ausschreibung sonst technisch nicht möglich“. Dies macht die Stoßrichtung der Maßnahme klar, die immer dann angewandt wird, wenn nicht strafrechtliches Relevantes vorliegt, die Person aber in ihrer politischen Arbeit behindert werden soll. Jedes Mal, wenn die Person – etwa am Flughafen – kontrolliert wird, ergeht eine Meldung über den Umstand der Kontrolle an das LKA. Zudem werden die Verkehrsmittel der Person erfasst. Auch wenn das in Berlin allseits bekannte und unbeliebte als PMS bezeichnete Einsatzkommando an dieser Person vorbei fährt, ergeht ein sogenannter Tätigkeitsbericht an den Staatsschutz beim LKA. Dabei werden zudem alle Kontaktpersonen der*s Ausgeschriebene*n erfasst.

Platzverweisung (§ 29 Absatz 1)

Wie die Identitätsfeststellung ist der Platzverweis eine Standardmaßnahme mit geringen Voraussetzungen. Dabei wird die betroffene Person für eine bestimmte Zeit (max. 24 Stunden) von einem abgrenzbaren Ort (bspw. ein öffentlicher Platz) verwiesen. Er wird häufig genutzt, um Personen, die nicht (mehr) auf einer Versammlung sind, von bestimmten Orten zu vertreiben oder gegen Personen, die angeblich Polizeieinsätze behindern. Auch Drogen- und Alkoholkonsum an öffentlichen Plätzen kann so durch die Cops unterbunden werden. Problematisch ist, dass der Platzverweis schon bei einer einfachen Gefahr (also etwa dem drohenden Verstoß gegen eine Ordnungswidrigkeit) ausgesprochen werden kann. Meist ergeht dieser mündlich und ohne Begründung. Ihr könnt ihn euch aber schriftlich ausstellen und begründen lassen. Greifen die Cops dich dann ein weiteres Mal auf, können sie dich gem. § 30 Absatz 1 Nr. 3 ASOG in Gewahrsam nehmen.

Aufenthaltsverbot (§ 29 Absatz 2)

Das Aufenthaltsverbot betrifft im Gegensatz zur Platzverweisung oft einen längerem Zeitraum und bezieht sich auf ein größeres Gebiet. Dieses Instrument entwickelte die Polizei anlässlich der Chaos-Tage in Hannover im Jahr 1995 um die riots zu begrenzen und Personen des Innenstadtgebiets verweisen zu können.

Meldeauflage (§ 29c)

Wie das Gefährderanschreiben kennen wir die Meldeauflage schon vor der rechtlichen Verankerung aus der polizeilichen Praxis. Im Jahr 2021 wurde sie aber auch erstmals im ASOG normiert. Bekommst du eine Meldeauflage von der Polizei, musst du dich an einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit einem Ausweis bei einer Polizeidienststelle melden. Die Polizei nutzt diese Befugnis, um Personen so die Möglichkeit der Teilnahme an Veranstaltungen und Versammlungen zu nehmen. So ergingen bspw. vor dem G20-Gipfel in Hamburg gegenüber einigen Aktivist*innen Meldeauflagen.

Gewahrsamnahme (§ 30 bis § 33)

Die wohl bekannteste Maßnahme des ASOG ist die Gewahrsamnahme. Sie ist von der Festnahme zu unterscheiden: diese erfolgt auf Grundlage der StPO – also nach vermeintlich begangen Straftaten.

Eine Person kann in einer sehr hilflosen Lage in Schutzgewahrsam genommen werden (Absatz 1 Nr. 1) um sie vor sich selber zu schützen. Dies wird teilweise bei Personen gemacht, die aufgrund von Alkohol oder Drogen nicht mehr ansprechbar sind. In linken Kontexten ist der sogenannte Unterbindungsgewahrsam aber typisch (Absatz 1 Nr. 2). Dieser soll „unterbinden“, dass die in Gewahrsam genommene Person weitere Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begeht. So kann etwas eine Person bis zum Ende einer Demo in Gewahrsam genommen werden. Während des G20-Gipfels in Hamburg wurden Personen auch das ganze Protestwochenende auf Grundlage von Gewahrsamsvorschriften festgehalten. Der Gewahrsam muss nicht notwendiger Weise in geschlossenen Räumen, wie der GeSa (Gefangensammelstelle), stattfinden. Wenn bspw. Demonstrationen aufgelöst und über längere Zeit eingekesselt werden, handelt es sich um den sogenannten Freiluftgewahrsam. So bspw. geschehen bei den Blockupy Protesten 2012 in Frankfurt.

Nimmt die Polizei dich in Gewahrsam, muss sie sofort eine richterliche Entscheidung gem. § 31 herbeiführen. Die richterliche Entscheidung braucht es allerdings nicht, wenn zu erwarten ist, dass du schon wieder freigelassen ist, bevor die Entscheidung überhaupt ergehen konnte. Der Gewahrsam muss jedoch dann beendet werden, wenn der Grund für die Maßnahme weggefallen ist (also etwa die Demo vorbei ist), wenn der*die Richter*in, die Maßnahme für unzulässig erklärt oder du bereits bis zum nächsten Tag um 24 Uhr ohne richterliche Entscheidung in Gewahrsam bist (vgl. § 33). Eine Möglichkeit der Verlängerung des Gewahrsams auf vier Tage ist seit 2021 aus dem ASOG gestrichen worden.

Die Polizei muss dir unverzüglich den Grund der Ingewahrsamnahme mitteilen und dir die Gelegenheit geben, eine Person deines Vertrauens zu kontaktieren. Am besten nimmst du in einem solchen Fall Kontakt mit deiner Anwält*in oder dem Ermittlungsausschuss (EA) auf. Ein solches Gespräch wird dir jedoch in der Praxis teils verwehrt.

Wie ihr euch bei Ingewahrsam- und Festnahmen verhaltet, könnt ihr im Kapitel zu Antirep nachlesen.

Durchsuchung von Personen (§ 34)

Durchsuchungen von Personen gehören ebenfalls zum Standardrepertoire der Polizei. Sie darf insbesondere durchsuchen, wenn sie glaubt, dass ihr verbotene Gegenstände mit euch führt (Drogen, Waffen etc.). Sie kann euch jedoch auch durchsuchen, wenn ihr keine Angaben zu eurer Person macht, oder wenn ihr euch an einem kriminalitätsbelasteten Ort aufhaltet (vgl. § 21 Identitätsfeststellung). Laut § 34 Absatz 4 Satz 1 habt ihr das Recht von Personen gleichen Geschlechts durchsucht zu werden. Bei trans- oder intergeschlechtlichen Menschen steht der Person ein Wahlrecht zu, § 34 Absatz 4 Satz 2. Das Durchsuchen von Personen und Sachen ist nach §§ 102 und 103 StPO auch zulässig.

Durchsuchung von Sachen (§ 35)

Darüber hinaus darf die Polizei auch Sachen von euch durchsuchen, insbesondere, wenn sie euch gem. § 34 ASOG durchsucht. Klassischer Anwendungsfall ist hier der mitgeführte Rucksack. Auch wenn sie euch in Gewahrsam nimmt, wird sie eure Sachen durchsuchen. Wichtig: Ihr habt ein Recht bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Wie immer gilt: Widerspruch einlegen, bei Sicherstellung von Sachen ein Protokoll fordern, aber nichts unterschreiben.

Betreten und Durchsuchung von Wohnungen (§§ 36-37)

Diese Norm berechtigt nicht zu Hausdurchsuchungen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (dazu Rote Hilfe Infos). Diese erfolgen typischerweise auf Grundlage der § 102 bis § 105 StPO. Präventive Durchsuchungen und das Betreten von Wohnungen gem. § 36 und § 37 ASOG sind eher selten. Es wird zwischen dem einfachen Betreten (bspw. zum Ergreifen einer Person) und dem Durchsuchen, also der zielgerichteten Suche nach bestimmten Gegenständen, unterschieden. Gem. § 37 bedarf es für die Durchsuchung (nicht die Betretung!) einer richterlichen Anordnung, die bei Gefahr in Verzug verzichtbar ist. Die Polizei darf insbesondere die Wohnung durchsuchen, wenn sie glaubt, dass sich dort Gegenstände befinden, die in naher Zukunft zur Begehung von Straftaten benutzt werden und deren Benutzung noch andauert. Das Betreten zur Räumung einer WG-Party wegen Lautstärke, sollte seit 2021 schwerer möglich sein, da es so laut sein müsste, dass die Nachbar*innen an der Gesundheit geschädigt werden könnten. Liegt eine „dringende Gefahr“ vor, bspw. durch Hilfe-Rufe aus einer Wohnungen, ist die Polizei befugt, die Wohnung zu betreten. Wie bei der Durchsuchung eurer Sachen habt ihr auch in der Wohnung das Recht anwesend zu sein. Willigt niemals ein, dass die Polizei eure Wohnung betreten oder durchsuchen darf. Es muss ein Durchsuchungsprotokoll verfasst werden. Dies solltet ihr nicht unterschreiben!

Aufzeichnung von Notrufen (§ 46)

Die Polizei ist befugt, die Notrufe aufzuzeichnen. Behaltet das im Kopf, falls ihr mal einen solchen tätigen müsst.

“Unmittelbarer Zwang”-Gesetz (UZwG Bln)

Das UZwG Bln ist ein weiteres Gesetz neben dem ASOG und der StPO, dass das Handeln der Polizei regulieren soll. Konkret geht es hier um die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Hier sind einige allgemeine Vorschriften, wie der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ niedergelegt, als auch spezielle Vorschrift bei Anwendung polizeilicher Ausrüsten, wie Schusswaffen, Handschellen, Sprengmittel etc.

Am brisantesten ist wohl die Frage nach dem sog. „finalen Rettungsschuss“, also ob Polizist:innen eine Person gezielt mit einer Schusswaffe töten dürfen um etwa andere zu retten (bspw. Bei einer Geiselnahme). Andere Bundesländer haben ihrer Polizei explizit solche Befugnisse gegeben. Berlin hat das nicht, gem. § 9 Absatz 2 Satz 1 UZwG Bln darf der Gebrauch der Schusswaffe Personen nur „angriffs- und fluchtunfähig“ machen. Auch wenn es in den polizeilichen Gesetzen nicht geregelt ist, können sich Cops, wie alle anderen Menschen, auf Notwehr bzw. Nothilfe (= Notwehr für eine dritte Person) bei dem Schusswaffengebrauch berufen. Die Polizei Berlin unterstützt dabei ihre totschießenden Beamt*innen in dem Strafverfahren und Schadensersatzansprüche von Angehörigen werden durch das Land Berlin gezahlt, § 9 Abs. 4 UZwG Bln.

Versammlungsrecht

Im Gegensatz zum ASOG wurde das Versammlungsrecht für Berlin Ende Februar 2021 in ein vollständig neues Gesetz gefasst. Durch die Rot-Rot-Grüne-Regierung wurde es „Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin“ (VersFG) getauft. Eine ausführliche Besprechung der Änderungen zur alten Gesetzeslage, dem Versammlungsgesetz des Bundes (VersG), findet ihr in der Broschüre „Wir haben uns hier versammelt – Was bedeutet das neue Berliner Versammlungsgesetz für die linke Praxis?“

Solche Versammlungsgesetze diktieren die Spielregeln für Versammlungen unter freiem Himmel. Damit sind Kundgebungen (an einem Ort) und Demonstrationen (in Bewegung) gemeint. Eine Versammlung im Sinne des VersFG liegt gem. § 2 Absatz 1 dann vor, wenn mindestens zwei Personen öffentlich ihre Meinung kundtun. Eine solche Meinungskundgabe kann etwa durch Redebeiträge, Transparente, aber auch durch Performances oder Schweigeminuten geschehen.

Anwendungsbereich und Anmeldung

Das VersFG regelt dabei insbesondere wie mit der Versammlung als Ganzes umgegangen wird und statuiert darüber hinaus eine Ge- und Verbote für Teilnehmer*innen. Aber nicht alles, was die Polizei auf unseren Versammlungen macht, macht sie auf Grundlage des VersFG. Oft wird zur Verfolgung von Straftaten die Strafprozessordnung (StPO) angewandt. Teilweise ist auch das ASOG anwendbar, etwa bei Ingewahrsamnahmen. Das VersFG ist insofern nicht abschließend.

Spontan- und Eilversammlungen

Es gibt auch rechtliche Ausnahmen von der Anmeldepflicht – etwa für Eilversammlungen, also Versammlungen deren Anlass erst innerhalb der 48 Stunden vor Versammlungsbeginn entstanden ist. Diese müssen dann mit der öffentliche Einladung bei der Polizei angemeldet werden, § 12 Absatz 6 VersFG. Eine weitere Ausnahme besteht für Spontanversammlungen, also Versammlungen deren Anlass sich innerhalb weniger Minuten oder Stunden ergibt. Hier entfällt sogar die Anmeldepflicht, § 12 Absatz 7 VersFG. Ein Verstoß gegen eine Anmeldepflicht bei normalen oder Eilversammlungen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, § 27 Absatz 1 Nr. 1 VersFG. Insgesamt solltet ihr im Vorhinein erörtern, ob, wie und wann ihr anmelden wollt. Auch eine absichtliche Nicht-Anmeldung sollte dabei als politische Handlungsoption in Betracht gezogen werden.

Versammlungen unter freiem Himmel müssen spätestens 48 Stunden vor Beginn der Mobi bei der Versammlungsbehörde angemeldet werden. Die Versammlungsbehörde ist seit Neustem im Stab der Landespolizeidirektion (LPD) angesiedelt und nicht mehr – wie vorher – beim polizeilichen Staatsschutz des Landeskriminalamtes. Dennoch bleibt die Stoßrichtung klar: Versammlungen sind für den Staat keine Ausübung von Menschen- und Grundrechten, sondern eine (Staats-)Gefahr, die die Polizei abwehren soll. Im Stab der LPD arbeiten zudem nachwievor die selben Bullen.

Bei der Organisation einer Versammlung werden euch mit der Anmeldung gleich bürokratische Hürden gestellt: Für die Anmeldung der Versammlung findet ihr ein Formular auf der Seite der Polizei Berlin. Dort müsst ihr u.a. Angaben zur Anmelder*in und Leiter*in machen, sowie einige weitere Angaben, etwa zur Demoroute oder zum Einsatz von Fahrzeugen oder Lautsprechern. Apropos Leiter*in – Das ist die Person, die bei der Versammlung selbst mit den Bullen Kontakt hat und für einen „ordnungsgemäßen“ Verlauf der Versammlung sorgen soll. Ihr könnt auch mehrere Personen als Bullenkontakt bestimmen oder euch -bei offensiven Demos- Hilfe durch erfahrene Personen oder Anwält*innen holen. Wenn ihr eure Versammlung angemeldet habt, braucht ihr auf eine Genehmigung nicht zu warten. Die Versammlung ist so lange legal, bis sie verboten oder aufgelöst wird.

Meldet ihr eine Versammlung an, so wird euch gem. § 4 VersFG teilweise ein Kooperationsgespräch mit den Cops angeboten. Hier erörtern die Cops mit euch, welche Gefahren von euch ausgehen und was sie gedenken dagegen zu tun. Tauscht euch darüber im Vorhinein mit erfahrenen Anmelder*innen aus und geht -falls ihr geht- nicht allein zum Gespräch.

Angemeldet und unversöhnlich – Die Abenddemo am Tag der Liebig34-Räumung

Beschränkungen (früher “Auflagen”)

Das VersFG schreibt auch vor unter welchen Bedingungen ihr eure Versammlung durchführen könnt. So darf die Polizei eurer Versammlung „Beschränkungen“ erteilen, § 14 Absatz 1 VersFG (früher hießen Beschränkungen „Auflagen“). Bei diesen „Beschränkungen“ ist der Kreativität der Bullen keine Grenzen gesetzt: Maximale Transpi-Längen, Glasflaschenverbot, andere Routen, Anzahl der Richtungen der Lautsprecher etc. Diese Beschränkungen werden meist im Vorhinein erteilt und ihr könnt dagegen mit eine*r Rechtsanwält*in vorgehen. Das geht auch, wenn ihr die Beschränkungen erst wenige Stunden vor Beginn der Versammlung bekommt, denn dafür gibt es bei den Gerichten Eilverfahren. Wird den bestehenden Beschränkungen nicht Folge geleistet, haben die Cops einen Grund gegen die Versammlung vorzugehen (s. Einsatzkonzept Demobegleitung).

Verbot und Auflösung

Gelegentlich verbieten cops Versammlungen noch vor ihrem Beginn. Häufiger beginnen Versammlungen zunächst und werden dann durch die cops aufgelöst. Das passiert insbesondere dann, wenn die cops meinen, dass gegen ihre erlassenen Beschränkungen verstoßen wird oder dass zu viele Straftaten begangen werden. Sie können gegen Personen, die trotzdem eine Versammlung durchführen oder sich nicht rechtzeitig von einer aufgelösten Versammlung entfernen mit den Mitteln des ASOG vorgehen (bspw. Platzverweise erteilen) und auch gegen euch wegen Ordnungswidrigkeiten ermitteln, § 27 Absatz 1 Nr. 4, 5, 8 VersFG.

Einer Auflösung kommt es regelmäßig gleich, wenn einzelne Blöcke einer Demo von der Versammlung durch die cops “ausgeschlossen” (vgl. § 16 VersFG) werden sollen, weil dort angeblich zu viele Straftaten begangen werden. Hinterher wird meist behauptet, man hätte dann nach dem Abtrennen den “friedlichen Teil der Demo” gerne weiterlaufen lassen. Durch die Brutalität der cops bei dem “Abtrennen” eines Blocks ist die Demo aber meist faktisch aufgelöst. Auch wenn der Auschluss und die Auflösung rechtlich zwei unterschiedliche paar Schuhe sind.

Mitführen von Gegenständen

Spannend für Teilnehmer*innen von Versammlung ist vor allem die Frage, was sie mitnehmen und tragen dürfen. Die Mitnahme von Vermummungsmaterial und Passivbewaffnung ist seit Ende Februar 2021 erlaubt. Die Benutzung solcher Gegenstände ist nur dann verboten, wenn es vorher durch die Polizei angeordnet wurde (§ 19 Absatz 1 und 2 VersFG). Erfolgt eine solche Anordnung nicht, dürft ihr euch also mit eurer Ausgeh-Hassi und Körperprotektoren auf der Demo blicken lassen! Ein weiterer Vorteil: Bei Spontandemonstrationen ist eine solche Anordnung naturgemäß nicht möglich – die Gegenstände sind also erstmal erlaubt! Falls solche Verbotsanordnungen in letzter Zeit erlassen wurden (es war bei nicht allen Demos der Fall), wurden sie im Vorhinein der Demo gegenüber der*m Anmelder*in bekannt gegeben und diese gebeten, doch bitte über ihre Kommunikationskanäle die Anordnungen für alle bekannt zu machen. Dies ist jedoch Aufgabe der Polizei!

Obwohl die Mitnahme solcher von Vermummungsgegenständen und Passivbewaffnung immer erlaubt ist, dürfen die Cops gem. § 17 Absatz 1 und 2 VersFG danach durchsuchen und dann ggf. eure Identität feststellen. Das wird meistens bei sog. Vorkontrollen an dem Startpunkt der Demo geschehen. Dass es diese Möglichkeit gibt, ist widersprüchlich, steht aber so im Gesetz. Wollt ihr die Kontrollen vermeiden, umgeht sie am Startpunkt der Demo!

“Riot like it’s 1981 – Zumindest das Tragen von Helmen ist ohne vorige Verbotsanordnung der Polizei in Berlin erlaubt.”

Filmende Cops

Zum Schluss ein weiteres lästiges Thema: Die Cineasten unter den Cops filmen und sie filmen immer mehr (vgl. Einsatztaktik BeDo). Meinen die Cops, es werden Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen, etwa durch das Abbrennen von Pyrotechnik, sichern sie Beweise zur Verfolgung einer Straftat. Dies tun sie auf Grundlage der StPO. Bestehen aber keine Anzeichen dafür, dass gerade Straftaten begangen werden, dürfen Cops nur auf Grundlage der VersFG filmen. Dies erlaubt Aufnahmen von einzelnen Teilnehmer*innen nur, wenn eine „erhebliche Gefahr“ vorliegt, also nur wenn etwa zu befürchten steht, dass Menschen in ihrer Gesundheit gefährdet werden oder Sachen von erheblichen Wert beschädigt werden, § 18 Absatz 1 VersFG. Übersichtsaufnahmen der Demonstration dürfen nur angefertigt werden, wenn diese wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung zur Lenkung des Einsatzes benötigt werden, § 18 Absatz 2 VersFG.

Filmende Cops.