Neben den bereits beschrieben, handfesten Tätigkeiten, nimmt die Polizei im Staat aber auch noch eine weniger sichtbare, jedoch nicht zu unterschätzende Funktion ein: Die Polizei beeinflusst via (sozialen) Medien gesellschaftliche Diskurse und Aushandlungsprozesse – insbesondere, um die eigenen Befugnisse und Handlungen zu legitimieren. Bei der politischen Beeinflussung setzt die Polizei auf eigene Informationen und Kanäle sowie die Berichterstattung in anderen Medien.
Mittel der Statistik
Ein Grundbaustein, um die Verhältnisse zu ordnen, ist der Einsatz von Statistiken. Die Polizei erhebt seit jeher Daten und schon immer auch zum Ausbau und zur Sicherung der Selbstkontrolle des Staates bzw. der Kontrolle, die der Staat über „seine“ Bürger*innen besitzt. Während im 17. und 18. Jahrhundert noch die Bevölkerungsgröße und der Getreideertrag im Zentrum des polizeilichen Interesses standen, hat es sich mittlerweile erheblich differenziert. So erstellt die Polizei heutzutage Lagebilder zur Kriminalität und erfasst gesellschaftliche Konfliktpotentiale. Einerseits durch immer umfassendere Methoden zur Datenerhebung (z.B. digitale Datenbanken), andererseits durch Zuarbeit von weiteren Institutionen, die für spezifische „Wissensbereiche“ zuständig sind. Da wären z.B. das statistische Bundesamt, das Institut für Wirtschaftsforschung, die Agentur für Arbeit, das Innenministerium, die Ausländerbehörden, nicht zuletzt der Verfassungsschutz uvm. Die bedeutendste Statistik, für die die Polizei derzeit verantwortlich zeichnet, ist die jährlich erscheinende polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird auch als “Kriminalitätsatlas” vermarktet. Dabei handelt es sich um eine statistische Zusammenstellung aller Straftaten, welche der Polizei bekannt geworden sind. Sie dient der Beobachtung und Analyse von Delikten, Täter*innen, Kriminalitätsentwicklung und soll vorbeugende und verfolgende Verbrechensbekämpfung sowie Forschung erleichtern. Erfasst werden: Art und Zahl der erfassten Straftaten, Tatorte und Tatzeiten, Opfer und Schäden, Aufklärungsergebnisse, Alter, Geschlecht, Nationalität und “andere Merkmale” der Tatverdächtigen. Die PKS zählt nicht originäre Staatsschutzdelikte (hierfür gibt es die KPMD-PMK – Kriminalpolizeilicher Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität), gewisse Verkehrsdelikte sowie Straftaten außerhalb von Deutschland. Die PKS ist so bedeutend, weil sie einen unmittelbaren Einfluss auf die öffentliche Meinung ausübt und damit auf den Spielraum Einluss nimmt, welcher der Politik für Gesetzesverschärfungen zur Verfügung steht. Scharfmacher*innen aus Politik und Polizeigewerkschaften haben dies erkannt. Mit Erscheinen der PKS lancieren sie Jahr für Jahr Schreckensmeldungen à la „Jugendgewalt eskaliert”, „immer mehr Drogendelikte“ oder „dramatischer Anstieg von Gewalt gegen Polizeibeamte“. Stets verbunden mit Forderungen nach schärferen Gesetzen und polizeilicher Aufrüstung. So wurde die Reform der §§ 113, 114 StGB 2017 vor dem Hintergrund von immensen Kampagnen der Polizeigewerkschaften durchgesetzt – kurz vor dem G20-Gipfel. Dabei wird unterschlagen, dass solche Schlüsse gar nicht aus der PKS gezogen werden können, da in ihr nicht erwiesene Taten oder gar Verurteilungen erfasst sind, sondern lediglich Anzeigen. Es ist also manipulativ, wenn diese Werte von Polizei, Medien und Politik als Summe faktischer Taten dargestellt werden. Korrekterweise Weise müsste von einer Anzeigenstatistik gesprochen werden.
- DPolG = Deutsche Polizeigewerkschaft, extrem rechte Gewerkschaft von zwielichtigen Polizistinnen GdP = Gewerkschaft der Polizei, rechte Gewerkschaft von Polizistinnen, leider Teil vom DGB. Größte Polizeigewerkschaft mit rund 195.000 Mitgliedern
- BDK = Bund Deutscher Kriminalbeamter, eine extra Gewerkschaft für Kriminalpolizist*innen
- Neben den genannten drei Größen gibt es lokal unterschiedlich auch kleinere innerbehördliche Interessensvertretungen wie Die Unabhänigen (UPol), den WIR AKTIV e.V. oder B.I.S.S. welche sich entweder auf einzelne Thema Konzentireren (letztere auf die sog. “Schießstandaffäre”) oder einfach nur versuchen die etablierten Größen rechts zu überholen.
- Des weiteren erwähnenswert ist eine Interessenvertretung im BKA namens “Alternative für Euch”, die 2017 gegründet wurde und wahrscheinlich 2020 zur Personalratswahl angetreten ist. Die Namensgebung ist nicht zufällig an die AfD angelehnt.
Trotzdem lässt sich einiges aus der PKS ablesen. Erstens, wenn irgend etwas erwiesener Maßen steigt, ist es die Anzeigebereitschaft. So haben z.B. nach der PKS Delikte, die sich direkt zwischen Individuen ereignen, wie Raub oder Körperverletzung von 1972 bis 2002 um 272% zugenommen. Seitdem haben sich die Zahlen zwar auf einem etwas geringerem Wert stabilisiert. Diverse Studien legen jedoch den Schluss nahe, dass wir im Bezug auf körperliche Gewalt in relativ gewaltarmen Verhältnissen leben, in denen körperliche Gewalt zunehmend verachtet wird. Was früher als „harmlose“ Rauferei angesehen wurde, wird heute weitaus schwerwiegender betrachtet. Deshalb liegt die Hemmschwelle mittlerweile um einiges niedriger, solche Konlikte zur Anzeige zu bringen. Zweitens beinhaltet die PKS auch den Komplex der so genannten Kontrolldelikte (z.B. Steuerhinterziehung, Residenzplichtsverstöße), also jener Vergehen, die für gewöhnlich nicht aus der Bevölkerung heraus angezeigt werden, sondern durch staatliche Kontrolle erst wahrgenommen und verfolgt werden. Relativ betrachtet stiegen Kontrolldelikte von 1972 bis 2002 am stärksten an und nehmen so einen immer größeren Anteil an den in der PKS verzeichneten Delikten. Absolut betrachtet handelt es sich allerdings um den kleinsten Teil. Ein Anstieg in diesem Bereich sagt u.U. einfach nur aus, dass die Behörden eifriger waren.
Einfluss in den Medien
Einfluss auf die Öffentliche Meinung nimmt die Polizei selbstverständlich nicht nur während des Medienrummels um die Horromeldungen der PKS. An sich ist die Polizei dabei dem Neutralitätsgebot verpflichtet, also “sachlich richtig, und darüber hinaus möglichst neutral, wertfrei und ausgewogen zu berichten”. Sie darf eigentlich auch nicht in die politische Willensbildung eingriefen. Dies aber nur laut dem Jura-Lehrbuch. Faktisch verfolgt die Polizei ihre eigenen Ziele. Neben Verlautbarungen über den Online Polizeiticker, über direkte Pressemitteilungen, ihre Pressesprecher*innen und Pressestelle, informelle Kontakte zur Presse (wie zu sog. Polizeireporter*innen), Hintergrund- und Lageberichte, ihre Gewerkschaften (GdP, DPolG, BDK) sowie Teile der Politik leistet die Polizei eine kontinuierliche, manchmal kampagnenhafte Pressearbeit.
Deeskalation und weitere Mythen
Ziel der Pressearbeit ist insbesondere der Vorfeld-Bereich, das heißt Prävention, Aufklärung und Abschreckung. Durch gehäufte Pressemitteilungen oder Tweets zu bestimmten Themen, kann ebenfalls Agenda Setting betrieben werden oder spätere Einsätze vorbereitet werden. Denn zum anderen verfolgt die Polizei das Ziel, dass ihre Einsätze und Gewaltanwendung in der Bevölkerung auf Zustimmung und Verständnis treffen. So werden polizeiliche Angriffe im Zusammenhang mit Demonstrationen meist relatviert oder als Reaktion auf Straftaten durch Versammlungsteilnehmer*innen dargestellt (Beispiele: G20 Welcome to Hell, Revolutionäre 1.Mai-Demo 2021). Außerdem werden die Zahlen verletzter Polizist*innen maßlos übertrieben – das bekannteste Beispiel bleibt hier G8 in Heiligendamm – oder die Gründe nicht benannt. Dem kann und muss durch eigene Pressearbeit begegnet werden. Denn auch die Polizei ist besorgt um ihr Image und kann in Rechtfertigungsnot kommen. Davon abgesehen spielen die Medien den Bullen pausenlos in die Hände. Sei es durch Hetzkampagnen gegen „linke Chaoten“, Rufe nach Law and Order oder durch Pseudodokumentationen im Unterhaltungsprogramm, in denen sich die Polizei als „Freund und Helfer“ profilieren darf. Der größte Teil der deutschen Medienlandschaft kann als polizeifreundlich bezeichnet werden. Für diese ist die Polizei eine Primärquelle, wenn sie über verwandte Themen berichten möchten. Häufig können oder wollen sie die von der Polizei bereitgestellten Informationen aber nicht überprüfen. Einige polizeikritische Journalist*innen stellen eine positive Ausnahme dar und sie sind in den vergangenen Jahren durch das Aufdecken einiger rechter Netzwerke in der Polizei aufgefallen (Stichwort Nordkreuz). Doch für Viele hat Haltung Konsequenzen: Insbesondere linke Journalist*innen waren betroffen von der Nichtakkreditierung bei G20 als “Gefährder*in”. Daneben gibt es häufig Schikane wie überlanges Prüfen von Presseausweisen, Abschirmen von der Maßnahme oder gar direkte Repression.
Presseabteilung Polizei Berlin
Pressesprecher ist seit 2018 Thilo Cablitz. Seine Stellvertreter*innen (die auch bei Einsätzen auf der Straße anzutreffen sind), sind u.a. Anja Dierschke, Michael Gassen und Martin Halweg. Calitz Vorgänger waren Winifried Wenzel (der jetzt bei Social Media ist) und Stefan Redlich. Ebenfalls bei Social Media ist Yvonne Tamborini, die unter anderen den falschen Tweet zum Türknauf unter Strom bei der Friedel54 mitzuverantworten hat.
Die Pressestelle ist in der Regel ab 6 Uhr morgens erreichbar, bereitete die Pressearbeit der Polizei vor und ist für O-Töne vor geräumten Häusern ansprechar.
Angesiedelt ist die Pressestelle beim Polizeipräsidium Stab als PPr St II Kommunikation. Diese Abteilung umfasst im Dezernat PPr St II 2 die Öffentlichkeitsarbeit, in PPr St II 3 eben die Pressestelle und im Dezernat 4 die Onlineredaktion.
Veränderung der Medienarbeit: Soziale Medien
Wie die Medienlandschaft insgesamt, hat sich auch das Agieren der Polizei in den vergangenen Jahren stark verändert. Die frühere Öffentlichkeitsarbeit zeichnete sich dadurch aus, dass die klassischen Polizeimeldungen und Pressemitteilungen größtenteils an Journalist*innen versandt und (im besten Fall) „gefiltert“ durch diese einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden. Dies hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Neben einer „offensiveren“ Öffentlichkeitsarbeit gegenüber den Journalist*innen (ständige Begleitung; aktive Pressesprecher*innen) ist die Polizei insbesondere auch in sozialen Medien präsenter und aktiver.
Warum ist die Polizei aktiv?
Die Sozialen Medien bieten der Polizei mehrere Vorteile bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit. In der alltäglichen Arbeit bieten sie der Polizei die Möglichkeit, eigene Prioritäten in der Berichterstattung über Situationen zu setzen und nicht darauf angewiesen zu sein, dass Journalist*innen Vorfälle für berichtenswert erachten. Die Sozialen Medien vereinfachen auch Zeugenaufrufe oder Fahndungen in zeitlicher Nähe zu bestimmten Vorfällen und erleichtern hierdurch die Repressionsarbeit. Schließlich bieten sie eine Bühne, um das Image der Institution Polizei aktiv beeinflussen und die öffentliche Wahrnehmung von Einsätzen mitbestimmen zu können, was vorher weitestgehend den Journalist*innen vorbehalten war. Wie wichtig die Arbeit in den (Sozialen) Medien für die Polizei heutzutage ist, zeigt die anzahl von 34 Polizist*innen im Social Media Team der Polizei bei G20 in Hamburg – neben weiteren 42 Beamt*innen in der Pressestelle. Je fragwürdiger Polizeieinsätze sind, desto wichtiger die Besetzung der Propaganda-Abteilung.
Anpassung an die Funktionsweise
Das Handeln der Polizei in den Sozialen Medien ist Ergebnis einer professionalisierten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Hinter den Sharepics, Tweets und Facebook-Posts stecken keine Streifenpolizist*innen, sondern die ausgebildeten Polizist*innen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit einer klaren Zielsetzung. Mit Kampagnenoffensiven wie „Da für dich“, „Wir können Hauptstadt“ oder „110 Prozent Berlin“ (Werbeagentur DOJO aus Berlin-Kreuzberg, Zossener Str. 65) wird aktiv versucht, eine „Steigerung der Wertschätzung, des Respekts gegenüber und Identifikation mit der Polizei Berlin“ zu erreichen. Die Aktivität folgt demnach einer klaren Marketing- und Politikstrategie. Um damit erfolgreich zu sein, muss die Aktivität der Polizei sich jedoch den Funktionsweisen der Sozialen Medien anpassen – die Beiträge sollen Reichweite und Aufmerksamkeit generieren, sie müssen auffallen und besonders sein. Dementsprechend wird dann auf Facebook aus einer Begehung eines Spätis und des Clubs “Melancholie 2” im November 2020 das Auffliegen eines „geheimen Privatclubs“ über dessen Tarnung man sich lustig macht. Und weil das alleine in Berlin noch nicht genug Aufmerksamkeit generieren würde, folgt dann noch eine lange Auflistung der vermeintlichen Drogen und Waffen, die man vor Ort gefunden habe – das Ganze garniert mit einem gestellten Symbolbild eines entspannt telefonierenden Polizisten. Der Post hat sein Ziel erreicht, wird hunderte Male geteilt und bekommt in den Kommentaren viel Lob – entweder für das Schließen eines weiteren „Umschlagplatzes“ oder für „gute Unterhaltung“. Für die Polizei ist damit das Ziel erreicht. Zugleich hat der Inhalt des Posts wenig mit der Wahrheit zu tun – weder war der Club geheim, noch wurden im größeren Umfang Drogen gefunden. Entsprechend wurde der Post 3 Tage später auch bearbeitet – das interessiert jedoch bekanntermaßen auf den Sozialen Medien zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr.
Politische Versammlungen
Eine besondere Wirkung hat die Social Media Abteilung bei Großevents und politischen Versammlungen. Die Besonderheit besteht einerseits darin, dass es von vornherein eine öffentliche Aufmerksamkeit gibt und die Gesellschaft quasi auf Neuigkeiten „wartet“ und zugleich die Polizei hier umso mehr politische Konfliktpartei ist. Sie kann dadurch umso mehr die öffentliche Meinungsbildung und auch die Versammlung selbst beeinflussen.
Möglichkeit direkt Einfluss zu nehmen
Die Auswirkungen beginnen meist schon vor der Versammlung mit dem Ziel, die öffentliche Wahrnehmung von vornherein zu beeinflussen mit dem Ergebnis, so Personen von einer Teilnahme abzuhalten. Beispielhaft hierfür sind die Twitter-Beiträge der Frankfurter Polizei vor Blockupy 2015, die schon vor Beginn der Aktionen von einer über eine Straße gespannten „lebensgefährlichen Kette“ „berichtete“ und dies mit dem Hashtag #18M versah und ein Bild von Krähenfüßen teilte, verbunden mit dem Aufruf an die Aktivist*innen sich nicht von „Straftätern“ die „Inhalte untergraben“ zu lassen Ohne dass es zu diesem Zeitpunkt einen erkennbaren Bezug zu Blockupy gegeben hatte, wurde so öffentlich bereits das Bild der lebensbedrohlichen Aktionen gesetzt.
Informationshoheit
Die Polizei trägt auf den Sozialen Medien auch aktiv dazu bei, ein gewisses Bild der Versammlung bzw. der Aktivist*innen beizubehalten und zu fördern. Die Polizei nutzt hierbei bewusst den Vorteil aus, eine Informationshoheit zu besitzen. Ein wesentlicher Teil davon sind die durch die Polizei veröffentlichten Statistiken. So „berichtet“ die Polizei am Tag vor der „Brandschutzbegehung“ in der Rigaer94 von 63 „verletzten Polizisten“. Eine Information, die niemand überprüfen kann und deren Ursprung sowie Inhalt nicht wirklich klar ist. Zugleich eine „Information“, die sich rasend schnell verbreitet, die den Bundespräsidenten zu einem öffentlichen Statement und Besserungswünschen verleitet und in der Berichterstattung zu Berichten über „Terroristen“, „Bürgerkrieg“ und „Endkampf-Fantasien“ führt.
Schaffung von Feindbildern & Bedrohungslage
Durch die Verbreitung von Informationen auf diesem Wege kann die Polizei vermeintliche Bedrohungslagen in der öffentlichen Wahrnehmung schaffen, die das weitere Vorgehen imagetechnisch vereinfachen. Berühmt geworden sind in diesem Kontext insbesondere der Türknauf der Friedel54, bei dem die Polizei von „Lebensgefahr“ für die Polizist*innen schrieb und – wider besseren Wissens! – behauptete er wäre unter Strom gesetzt, und die Behauptung der Hamburger Polizei im Rahmen von G20, dass von den Dächern Molotov-Cocktails geworfen werden. Beide Meldungen wurden von überregionalen Medien umgehend aufgegriffen und prägten die Berichterstattung über die Ereignisse, so dass am Ende weniger der Einsatz des SEK im Wohngebiet, sondern die vermeintlichen „Mordanschläge“ im Fokus standen. Durch das offensive Aufgreifen der Polizeimeldungen durch Medien wird die Polizei in solchen Situationen zur zentralen Informationsquelle der Öffentlichkeit.
Nachträgliche Rechtfertigung unverhältnismäßigen Handelns
Auch nachträglich funktioniert diese Art der Öffentlichkeitsarbeit aus Sicht der Polizei. So ist die Berichterstattung über die Ingewahrsamnahme einer großen Zahl an Aktivist*innen bei der angemeldeten (!) Aktion gegen den Ausbau des Leipziger Flughafens, die über 30 Stunden andauerte, dadurch in den Hintergrund gerückt, dass noch in der Nacht die Information gestreut wurde, durch die Aktion sei eine Impfstofflieferung blockiert worden und ein Millionenschaden entstanden.
Sicherung der Informationshoheit
Die Polizei hat auch auf anderem Wege direkten Einfluss darauf, sich die Informationshoheit zu sichern. So werden oftmals Journalist*innen von den Einsatzstellen und Auseinandersetzungen ferngehalten bzw. dürfen nur an den von der Polizei vorgegebenen Orten berichten – so z.B. bei der Besetzung der Berliner Autoahnbaustelle A100. Die Polizei bleibt so die einzige öffentlichkeitswirksame Stelle, die Eindrücke von vor Ort weitergeben kann. Kritische User*innen können durch die Social Media Abteilung blockiert oder deren Kommentare gelöscht werden, um die Wahrnehmung der eigenen Beiträge weiter zu beeinflussen. Eine weitere Form der direkten Einflussnahme sind die „Hausbegehungen“ der Berliner Polizei mit den ihr gewogenen Journalist*innen nach der Räumung der Liebig34 oder der Meuterei, mit denen unter Aufsicht des Presseabteilung der Polizei live aus den Gebäuden im Zentrum der Aufmerksamkeit berichtet werden durfte.
Datensammlung für die Polizei
Doch nicht nur aktiv nutzt die Polizei die sozialen Netzwerke. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern testet die Deutsche Hochschule der Polizei mit mehreren Polizeipräsidien seit einiger Zeit die automatisierte Auswertung von Sozialen Netzwerken zur Vorbereitung auf bestimmte Ereignisse.*6 So sollen binnen kürzester Zeit Informationen wie aktuelle Lichtbilder, Hinweise zum Aufenthaltsort, Informationen zu Hobbies von Teilnehmer*innen, Kontakte untereinander, sowie Informationen zu den Örtlichkeiten über die Social Media Profile gesammelt werden, um die Einsatztaktik darauf abstimmen zu können. Im Zuge der Änderungen der Polizeigesetze haben mehrere Bundesländer hierfür auch für die Zukunft Rechtsgrundlagen geschaffen (vgl. bspw. in Hessen § 25a HSOG). In Berlin gibt es für die automatisierte Auswertung (noch) keine Rechtsgrundlage – es sollte jedoch allen klar sein, dass auch das Social Media Team der Polizei über User*innen an Informationen gelangt und diese grundsätzlich weitergeben kann.
Direktbegleitung von Aktionen
Dass die Polizei Berlin auf digitale Informationen zurückgreift, ist unter dem Stichwort “digitale Lagesichtung” (wenn auch nicht automatisiert) mittlerweile gegeben. Bei spontanen Situationen wird so in den ersten 15 Minuten nach Bekanntwerden in Abstimmung mit dem einsatzleitenden Polizeiführer ein sog. Ersttweet vorbereitet. Die folgenden Minuten bis zu einer Stunde werden genutzt zur Einrichtung einer Medienbetreuung vor Ort oder im Backoffice, zur weiteren Informationssammlung, Verifizierung, zur Abstimmung der Kommunikationen und schließlich zur Informierung und Viralisierung der eigenen Botschaft. Anschließend werden Externe (wie polizeifreundliche Journalist*innen) und eigene Verbindungskräfte eingebunden.
Rechte Netzwerke in der Polizei
Nur kurz angesprochen werden können rechte Chatgruppen und weitere Netzwerke bei der (Berliner) Polizei. Teilweise im Wochentakt fliegen bundesweit Chatgruppen mit menschenverachtendem, rassistischem, antisemitischem oder sexistischem rechten Müll auf, die entweder nur von Cops sind oder an denen sie beteiligt sind. In Berlin ist hier zu nennen der sog. “Ho-Ho-Holocaust-Beamte”, der Nazi-Weihnachtsgrüße an Kolleg*innen schickte, der Beamte, der sich mit “88” verabschiedete, eine Chatgruppe der AfD, in der Neuköllner Nazis von einem AfD-Bullen mit Namen Detlef Moritz mit Infos versorgt wurden, eine weitere Chatgruppe mit besagten Detlef Moritz und anderen Polizist*innen namens “Eierköppe”, Chatgruppen von einer Dienstgruppe mit weiteren 25 Polizist*innen und und und. Auch auf Twitter sind einige Polizist*innen (vor allem Polizisten) privat unterwegs. Mittlerweile gibt es dazu Guidelines durch die Berliner Polizei. Dennoch lässt sich hier manch tiefgehender Einblick gewinnen – es gilt aber, sich selbst zu schützen.